Coaching ist überall – aber was ist es wirklich? (Teil 2…hier gehts zu Teil 1 – Was ist systemisch?)
Coaching boomt. Es gibt Karriere-Coaching, Life-Coaching, Fitness-Coaching, Achtsamkeits-Coaching, Trennungs-Coaching, sogar Hundecoaching. Kaum ein Lebensbereich, der nicht irgendwie coachbar scheint. Jeder darf sich Coach nennen. Jeder kann Coaching anbieten. Die einen geben Tipps, die anderen machen Aufstellungen, wieder andere verkaufen ihre Lebenserfahrung. Der Begriff ist schillernd, aber auch beliebig und auch bedenklich geworden.
Umso wichtiger ist es, innezuhalten und zu fragen:
Was genau ist Coaching – insbesondere systemisches Coaching?
Und: Was macht es aus, wenn man Menschen nicht nur begleitet, sondern ihnen auch hilft, sich selbst im Spiegel ihrer Beziehungen neu zu erkennen?
Reflexionsfrage:
Wo in deinem Leben hast du Coaching erlebt – und war es wirklich systemisch?
Abgrenzung: Coaching, Beratung, Therapie, Mentoring – was ist was?
Um Coaching einzuordnen, lohnt ein kurzer Blick auf verwandte Formate:
Format | Zielsetzung | Beziehungsebene | Haltung |
Beratung | Wissen oder Lösungen anbieten | Expertenrolle | wissensbasiert |
Therapie | Heilung, Linderung psychischer Störungen | behandlungsbezogen | problem- und störungsorientiert |
Mentoring | Weitergabe von Erfahrung | erfahrungsbasiert | unterstützend, steuernd |
Coaching | Begleitung bei Selbstklärung & Zielarbeit | partnerschaftlich auf Augenhöhe | prozessorientiert, aktivierend |
Coaching ist also weder Therapie noch Beratung. Es ist keine Anleitung, keine Heilbehandlung und kein Ratgebermodell.
Coaching ist professionelle Begleitung auf Zeit – mit dem Ziel, dass Klient:innen in der Lage sind, eigene Perspektiven zu erweitern, Ziele zu klären und neue Handlungsspielräume zu entdecken.
Beispiel:
Ein Coachee überlegt, ob er kündigen soll. Ein Berater würde analysieren: „Hier sind die Pros und Contras.“
Ein Mentor würde sagen: „In deiner Situation habe ich das gemacht.“
Ein Coach fragt: „Was macht die Entscheidung für dich so schwer? Was würde sich ändern, wenn du bleibst – oder gehst? Was davon brauchst du wirklich?“
Reflexionsfrage:
Wurde dir in einer schwierigen Situation schon einmal ein Rat gegeben, der dich blockiert hat – obwohl er gut gemeint war?
Die systemische Haltung im Coaching
Im systemischen Coaching steht nicht das Problem im Zentrum – sondern der Mensch im Kontext.
Der Coach ist weder Heiler noch Lehrer noch Guru. Er ist fragend, zugewandt, irritierend – aber nie dirigierend.
Zentrale Haltungen:
- Nichtwissen: Der Coach weiß nicht, was „richtig“ ist – er hilft, eigene Lösungen zu entdecken.
(Heinz von Foerster: „Handle stets so, dass die Anzahl der Möglichkeiten wächst.“) - Allparteilichkeit: Der Coach nimmt alle relevanten Perspektiven ernst – auch die unsichtbaren (Partner:innen, Chefs, Eltern, innere Anteile etc.).
- Ressourcenfokus: Was kann der Mensch? Was hat er schon bewältigt? Welche Fähigkeiten sind (noch) nicht bewusst?
- Konstruktivismus: Es gibt keine objektive Wahrheit – nur Konstruktionen. Ziel ist nicht „die Wahrheit“, sondern ein hilfreicherer Umgang mit der Wirklichkeit.
- Kontextsensibilität: Keine Verhaltensweise ist „an sich“ falsch – entscheidend ist: In welchem Zusammenhang wirkt sie wie?
Beispiel:
Ein Klient beschreibt sich als konfliktscheu. Die Haltung des Coaches ist nicht: „Daran müssen wir arbeiten.“
Sondern: „Was schützt diese Konfliktscheu? Wann war sie hilfreich? Wo engt sie dich heute ein?“
Reflexionsfrage:
Welche deiner vermeintlichen „Schwächen“ waren in anderen Situationen vielleicht auch Stärken?
Die Phasen systemischen Coachings
Auch wenn jeder Coachingprozess individuell ist, lassen sich typische Phasen beschreiben. Diese geben Orientierung – für Coach und Coachee – und helfen, den Prozess strukturiert und transparent zu gestalten.
1. Vorphase: Kontakt & Arbeitsbündnis
- Anliegenklärung: Was bringt den Coachee her?
- Rahmenbedingungen: Zeit, Ort, Datenschutz, Rolle
- Beziehungsebene aufbauen: Vertrauen, Sicherheit, Neugier
- Ziel: tragfähiges Arbeitsbündnis, nicht sofort „am Thema schrauben“
Beispiel:
Eine Klientin kommt mit dem Wunsch, „besser mit Druck umzugehen“. In der Vorphase stellt sich heraus: Der eigentliche Druck kommt nicht vom Job – sondern von tief verankerten Glaubenssätzen über Leistung und Anerkennung.
Zielklärung: Worum geht es eigentlich?
- Explorieren: Was ist das Thema? Wofür ist es relevant?
- Kontext einbeziehen: Wer ist noch betroffen?
- Konkrete Ziele: Woran merkt der Coachee, dass Coaching wirkt?
Typische Fragen:
„Was soll anders sein, wenn das Coaching vorbei ist?“
„Was müsste sich verändern, damit Sie sagen: Das war hilfreich?“
„Wenn Sie das Problem beschreiben, wer beschreibt da – der Erwachsene, das verletzte Kind, der Perfektionist?“
Prozessphase: Muster erkennen – Optionen öffnen
- Hypothesenbildung und systemische Interventionen
- Arbeit mit Methoden: Skalierungen, Aufstellungen, Reframing, Visualisierungen
- Einbeziehen von Ressourcen, Beziehungen, inneren Anteilen
Beispiel:
Ein Coachee erlebt ständig Konflikte mit Kolleg:innen. Statt auf Verhaltenstipps zu fokussieren, wird das Muster über ein systemisches Genogramm sichtbar: Konfliktvermeidung in der Herkunftsfamilie, Konflikte als Gefahr – statt als Chance zur Klärung.
Abschlussphase: Integration und Perspektiven
- Bilanz ziehen: Was wurde erreicht, was nicht?
- Was trägt der Coachee in den Alltag?
- Abschiedsritual: Würdigung, Ausblick, ggf. Nachsorge
Reflexionsfrage:
Wann war ein Prozess in deinem Leben wirklich zu Ende – und wann hast du nur „abgeschlossen“, obwohl es noch gearbeitet hat?
Systemische Methoden – und wofür sie gut sind
Systemisches Coaching ist nicht methodenfrei – im Gegenteil. Doch die Methoden stehen im Dienst der Hypothesenbildung, nicht als standardisierte Werkzeuge.
Einige typische Tools:
- Zirkuläre Fragen:
„Was würde Ihre Kollegin sagen, was Sie am meisten belastet?“
→ Perspektivwechsel & Beziehungsklärung - Skalierungen:
„Auf einer Skala von 0–10: Wie präsent ist Ihr Ziel aktuell?“
→ Fortschritte erfassen, Nuancen erkennen - Reframing:
„Was wäre, wenn Ihr Problem eigentlich ein Signal Ihrer Stärke ist?“
→ Bedeutungswandel, neue Deutungsmöglichkeiten - Timeline-Arbeit / Biografiearbeit:
→ Muster entdecken, Ressourcen aus Vergangenheit aktivieren - Inneres Team (nach Schulz von Thun):
→ innere Anteile sichtbar machen, innere Führung fördern - Tetralemma (nach Varga von Kibéd):
→ Lösungssuche jenseits von Entweder-Oder-Denken
Reflexionsfrage:
Welche deiner bisherigen Lösungen haben sich später als Teil des Problems entpuppt?
Systemisches Coaching im echten Leben: Ein Beispiel
Fall: Patrick, 38, Abteilungsleiter im Maschinenbau
Patrick kommt mit dem Gefühl: „Ich funktioniere nur noch.“ Die Kinder wollen ihn, die Firma braucht ihn, seine Frau ist enttäuscht. Schlaflosigkeit, Gereiztheit, Erschöpfung.
Ablauf im Coaching:
- Vorphase: Vertrauensaufbau – Raum schaffen für das Eingeständnis: „Ich habe keinen Plan mehr.“
- Zielklärung: Statt „weniger Stress“ klärt sich ein echtes Ziel: „Ich will wieder entscheiden, statt getrieben zu sein.“
- Prozessphase: Visualisierung des Systems – private & berufliche Rollen, Skalierungsübungen, Arbeit mit Glaubenssätzen („Ich muss stark sein“), erste kleine Veränderungen im Alltag
- Abschluss: Integration – „Ich sage jetzt bewusst Nein – ohne Schuldgefühle.“
Was war systemisch daran? Nicht der Stress wurde „behandelt“, sondern das gesamte Beziehungsgefüge betrachtet – Patrick wurde befähigt, eigene Dynamiken zu erkennen und neue Bewegungen einzuleiten.
Wenn systemisches Coaching an Grenzen stößt – und was dann?
Systemisches Coaching lebt von Eigenverantwortung, Selbstreflexion und freiwilliger Veränderung. Doch was, wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind – weil Menschen in akuten Belastungssituationen stecken, mehrere Krisen gleichzeitig erleben oder schlicht keine Kraft mehr haben, um an inneren Mustern zu arbeiten?
Viele Menschen, die heute nach Coaching suchen, stehen nicht einfach vor beruflichen Entscheidungen oder Entwicklungsschritten. Sie kämpfen mit existenziellen Ängsten, chronischem Stress, komplexen Familiensystemen, Gesundheitsproblemen, Behördenkonflikten – oder mit allem gleichzeitig.
Hier reicht ein Coachingprozess nach Lehrbuch oft nicht aus.
Denn wie soll jemand systemisch über seine Rolle im Team reflektieren, wenn er nicht weiß, wie er morgen seine Miete zahlen soll? Oder wie sie achtsam kommunizieren, wenn sie täglich mit Demütigung beim Amt konfrontiert ist?
Ganzheitliches Coaching in der Praxis – zum Beispiel bei GO ganzheitlich.online
Bei ganzheitlich.online wird Coaching nicht als reines Reflektieren in geschützten Räumen verstanden.
Dort beginnt es oft im Chaos des Alltags:
- mit einem Schulkind, das nicht mehr zur Schule geht
- mit einem Vater, der plötzlich ohne Job, ohne Kraft und ohne Plan dasteht
- mit einer pflegenden Mutter, die nie gelernt hat, Hilfe anzunehmen
Hier ist systemisches Denken essenziell – aber nicht ausreichend.
Deshalb kombiniert GO Coaching mit:
- empathischer Alltagsbegleitung (z. B. bei Terminen, Gesprächen, Formularen)
- Gesundheits- und Ernährungscoaching, wenn körperliche Ressourcen erschöpft sind
- institutioneller Kommunikation, wenn Ämter, Schulen oder andere Stellen Teil des Problems (oder der Lösung) sind
Das ist kein Methodenmix – sondern ein koordiniertes Vorgehen auf Basis systemischer Grundannahmen.
Menschen werden dabei nicht „optimiert“, sondern gestärkt – ganzheitlich, individuell, realistisch.
Reflexionsfrage:
In welchen Momenten war die beste Frage wertlos – weil das System drumherum nicht mitgedacht wurde?
Fazit & Ausblick auf Teil 3: Systemische Mediation & Familienberatung
Systemisches Coaching ist kein Zaubermittel – aber eine der wirksamsten Formen, um Menschen in ihrer Selbstwirksamkeit zu stärken.
Nicht durch Ratschläge, sondern durch echte Begegnung.
Nicht durch Tipps, sondern durch Perspektiven.
Nicht durch Standardlösungen, sondern durch kontextbezogene Entwicklung.
Doch Coaching endet oft dort, wo Konflikte offen eskalieren – in Partnerschaften, Familien, Betrieben.
Genau dort setzt Teil 3 der Serie an:
Systemische Mediation & Familienberatung
– wenn es nicht nur um persönliche Entwicklung, sondern um Klärung im Beziehungsfeld geht.
– wenn Muster zu Machtkämpfen werden.
– wenn Kommunikation nicht mehr gelingt.
– und wenn der Blick auf das Ganze helfen kann, Frieden zu ermöglichen.
Hier geht es zum dritten Teil unserer Serie „Ganzheitliche Beratung“.
📚 Zentrale Quellen (Auswahl):
- Radatz, S. (2007). Systemisches Coaching
- Schulz von Thun, F. (2000). Miteinander reden
- Varga von Kibéd, M. / Sparrer, I. (2000). Das Tetralemma
- Wimmer, M. (2010). Praxis systemischen Coachings
- Maturana & Varela (1987). Der Baum der Erkenntnis
- Klient:innenbeispiele aus dem Praxisfeld von ganzheitlich.online (anonymisiert & verändert)


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